Wer heute ein modernes, erfolgreiches Unternehmen leiten will und dafür Mitarbeitende sucht, kommt um die Themen „Führung mit emotionaler Intelligenz“ oder auch „Empathische Führung“ nicht mehr herum. Knapp 1 Millionen Mal werden diese beiden Begriffe gefunden, wenn man sie bei Google eingibt.
Was heißt denn überhaupt empathische Führung?
Empathie beschreibt die Bereitschaft und Fähigkeit sind in die Gefühlslagen, Einstellung und Bedürfnisse anderer Menschen einzufühlen. Diese Fähigkeit ist heute zur Grundlage in jeder Führungskräfteentwicklung geworden.
Empathische Führung beinhaltet im Wesentlichen, sich auf seine eigenen und die Gefühle seiner Mitarbeitenden einstellen zu können und sie in eine gemeinsame positive Richtung zu lenken. Das Handeln der Führungskraft basiert dabei immer auf den eigenen Werten und Emotionen – eine Grundlage dafür, dass sie authentisch und überzeugend wirkt.
Wir alle werden mit der Fähigkeit zur Empathie geboren. Eine Freundin erzählte mir folgende Geschichte: Sie saß in einem Zug an einem 4er Tisch (vor Corona!), ihr gegenüber saß eine Mutter mit einem Kleinkind. Das Kind saß gemütlich bei der Mutter auf dem Schoß, mit einem Nuckel im Mund. Meine Freundin war in der Zeit sehr labil, denn sie hatte gerade einen geliebten Menschen verloren und weinte oft, auch an diesem Tag, in diesem Zug an diesem Tisch. Das kleine Mädchen, beobachtete meine Freundin sehr genau und hatte Sorgenfalten im Gesicht, immer wieder blickte es hilfesuchend zu seiner Mutter, der der Weinausbruch meiner Freundin aber eher peinlich war und die deshalb den Blickkontakt eher mied. Schließlich nahm das kleine Mädchen den Nuckel aus dem Mund und reichte ihn meiner Freundin! Mehr Empathie und Hilfsbereitschaft ist wohl kaum möglich.
„Schuld“ daran sind unter anderem unser System der „Spiegelneuronen“ – aber darüber will ich heute nicht berichten.
„Ein Indianer kennt keinen Schmerz“
Wie gesagt, wir sind empathische Wesen und werden so geboren, aber durch unsere Erziehung, durch das was wir im Leben lernen und die Erfahrungen, die wir machen, lernen wir auch, nicht jede aufkommende Emotion auszuleben oder werden sogar dazu ermutigt, unsere Gefühle zu ignorieren oder als falsch einzuordnen. Wir lernen auch, dass es Zeiten und Situationen im Leben gibt, wo Emotionen angemessen sind, aber eben auch Umstände und Situationen, in denen wir unsere Gefühle nicht zeigen sollen – dazu gehörte auch bis vor Kurzem die Arbeitswelt!
„Das ist doch hier kein Ponyhof“
Ist ein Ausspruch, den ich in meiner Arbeit als Führungskräfte Coach immer wieder mal höre und die Mitarbeitenden sollen sich doch bitte mal zusammenreißen und sachlich bleiben. Jeder Leser, der auch nur elementare Kenntnisse über unser Gehirn, die Hormone, die uns steuern und die überlebenswichtige Funktion unserer Emotionen hat, wird, wie ich, bei diesen Aussprüchen eine Gänsehaut bekommen und gleichzeitig wissen, das mit einem solchem Rangehen, die Mitarbeitenden eher verschreckt, als motiviert werden. Aber auch dazu in einem anderen Blogbeitrag mehr.
Wieso ist Empathie als Kompetenz für Führungskräfte so wichtig?
Unsere Arbeitswelt wird immer komplexer, dass Stichwort „Digitaliserung“ ist, dabei nur eines von vielen! Seit einigen Jahren hören wir immer öfter, dass sich Menschen bei ihrer Arbeit überfordert fühlen, dass sie ausbrennen, erschöpft sind oder keinen Sinn mehr in ihrer Aufgabe sehen. Viele Menschen fühlen sich ausgeliefert, haben das Gefühl nichts bewirken zu können und fühlen sich eher ausgeliefert als bestimmend. Der Ausbruch der Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben die (Arbeits)welt noch unsicherer und noch komplexer gemacht, als sie noch vor einigen Jahren aussah. Laut dem BKK Gesundheitsreport von 2020 geht jeder 6. Fehltag inzwischen auf psychische Probleme zurück und ist damit sehr ernst zu nehmen.
Führungskräfte spielen dabei die maßgebliche Rolle, doch leider hat das Randstad-Arbeitsbarometer, ebenfalls aus dem Jahr 2020, ergeben, dass mehr als ein Drittel (genau 33 Prozent) sich mental gut von seinem Arbeitgeber unterstützt fühlt gibt an, das die Führungskräfte einen empathischen Führungsstil haben.
Im zunehmenden „War of Talents“ nimmt die Suche nach gut ausgebildeten Menschen für die Unternehmen eine immer größere und zentrale Rolle ein und sind diese Menschen dann einmal gefunden, sollen sie nach Möglichkeit auch möglichst lange im Unternehmen bleiben – denn die Akquise, Die Auswahl und die Einarbeitung neuer Kollegen und Kolleginnen kosten durchschnittlich ein Jahresgehalt.
Gut 2/3 aller deutschen Unternehmen geben heute an, die Digitalisierung gut umzusetzen und zum Beispiel über das nötige Equipment zu verfügen und auch die interne Prozessoptimierung gut voranzubringen. Was jedoch immer noch zu selten bedacht wird, ist die Tatsache, dass diese Veränderungen, sowohl innerhalb der Organisation als auch in der äußeren Umwelt durchaus belastende Aspekte für die Mitarbeitenden haben kann:
- Arbeitswelten haben sich verändert, zum Beispiel durch die Arbeit im Homeoffice
- Aufgaben werden neu organisiert oder fallen ganz weg
- Rollen werden neu geschrieben
- Hierarchien verändern sich
Das alles verlangt von uns Menschen mentale Stärke und kann zu emotionalen Herausforderungen führen. Nicht jeder von uns ist darauf vorbereitet und kann gleich gut damit umgehen, umso mehr braucht es Führungskräfte, die belastende Situationen erkennen, überforderte Mitarbeitende unterstützen können und dort lösungsorientiert und auf Augenhöhe agieren, wo es nötig ist.
Kann ich empathische Führung lernen?
Dazu braucht es die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich in Menschen einzufühlen.
Es braucht den Mut, schwelende Konflikte offen anzusprechen und dabei zu unterstützen, dass Teammitglieder Missverständnisse und unterschiedliche Erwartungen abklären und lösen können.
Es gibt einen Grund dafür, dass wir nur einen Mund haben, aber zwei Ohren
Zuzuhören und nachzufragen, sind Fähigkeiten, die eine professionelle Kommunikation in den Führungsalltag tragen und es ermöglichen, das Mitarbeitenden sich gesehen und wertgeschätzt fühlen. Wird das gelebter Alltag, kann die Empathie der Führungskraft das Team dabei unterstützen, selbst mehr Hilfsbereitschaft zu entwickeln und Konflikte, sowie aggressives Verhalten lösen beziehungsweise vermeiden.
Auch die Fähigkeit, Aufgaben und Ziele klar zu kommunizieren und messbare Erfolge zu definieren sind ein wichtiges Führungsinstrument, dass die Mitarbeitenden in die Lage versetzt ihre Aufgaben selbstbestimmt zu erfüllen und sich somit als wirksam und erfolgreich zu erleben.
Empathie fängt mit der Selbstwahrnehmung an und bedeutet im Führungskontext kontinuierlich die eigene, innere Haltung zu hinterfragen. Dabei kann es hilfreich sein, gedanklich drei Ebenen zu unterscheiden:
- die innere Haltung gegenüber sich selbst,
- gegenüber dem Mitarbeiter
- sowie die innere Haltung im Abgleich mit der eigenen Rollenerwartung.
Nach regelmäßigem Feedback von Kollegen, Mitarbeitenden oder auch Vorgesetzten zu fragen, ist hilfreich und unterstützt dabei, diese Haltung zu verinnerlichen.
Und wie entscheide ich mich nun, für oder gegen einen empathischen Führungsstil?
Wo viel Licht ist, da sind auch Schatten!
Es gibt ganz klare Vorteile
- Mitarbeitende, die sich ernst genommen fühlen, entwickeln eine hohe Loyalität zum Unternehmen, zu ihrer Führungskraft und zu dem Team, in dem sie arbeiten.
- Teams, die von emphatischen Führungskräften geführt werden, sind in der Lage, Konflikte selbstständig zu bearbeiten und regulieren unangemessenes Verhalten untereinander.
- Teams, die mit Empathie und Klarheit geführt werden, haben ein starkes Rollenvorbild und sind viel leichter in der Lage, schwierige Situationen anzusprechen.
- Teams, die empathisch geführt werden, achten besser aufeinander und bemerken so viel schneller Überlastungen oder andere Auffälligkeiten bei Kollegen und Kolleginnen. Nachweislich gehen die Krankentage und vor allem die psychischen Langzeiterkrankungen zurück, wenn ein empathischer Führungsstil in einer Organisation eingeführt und gelebt wird.
- Mitarbeitende, deren Meinung gerne gehört wird, entwickeln leichter kreative Lösungen für Probleme und sind bereit, sich über das nötige Maß für ihre Organisation einzusetzen.
- Mitarbeitende, die Interesse an ihrer Person spüren, haben auch ein Interesse daran, sich weiter zu entwickeln und Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen, die über das geforderte Knowhow gehen.
- Mitarbeitende schließlich, die sich wohl und sicher fühlen, das Gefühl haben gut aufgehoben zu sein, sprechen Menschen aus dem Bekanntenkreis an, wenn es offene Stellen zu besetzen gibt.
Aber es gibt auch Nachteile
- Selbstbestimmte und mitdenkende Mitarbeitende stellen Hierarchien in Frage und hinterfragen Aufgaben und Ziele wenn sie für sie nicht nachvollziehbar sind.
- Natürlich ist es wichtig und richtig, Mitarbeitende zu beschäftigen, die eigene Ideen haben und ihre Arbeitswelt selbst gestalten wollen. Allerdings kann das im Unternehmen dazu führen, dass immer wieder Machtkämpfe ausbrechen und Rollen neu definiert und besetzt werden müssen. Das kann zu dauerhafter Unruhe führen, was manche Menschen als belastend erleben.
- Nicht jeder Kollege und jeder Kollege möchte empathisch geführt werden. Es gibt immer noch ältere Arbeitnehmer, die ihre Gefühle aus der Arbeitswelt heraus halten möchten und sich schwer tun, sich auf die Bedürfnisse anderer Menschen einzustellen. Diese Mitarbeitenden können sich überfordert fühlen und sich auffällig verhalten.
- So kann es auch passieren, das der Krankenstand sich zwar senkt, aber bestimmte Angestellte immer wieder und auch für längere Zeiten krank sind: Ein Zeichen von Widerstand und Überforderung.
- Besonders wenn sich eine Organisation von einer klassischen Top-Down Organisation auf den Weg in die Selbstorganisation macht, ist es quasi zwangsläufig so, dass einige Beschäftigte nur sehr schwer mit dieser Veränderung umgehen können. Es ist wichtig, eine solche Veränderung im Unternehmen sehr transparent zu gestalten und Menschen, die sich damit schwerer tun, zum Beispiel durch begleitendes Coaching zu unterstützen. Im schlimmsten Fall kann es sogar passieren, dass man sich voneinander trennen muss.
Fazit
- Moderne Organisationen kommen um einen empathischen Führungsstil nicht herum, wenn sie im Wettbewerb um engagierte und gut ausgebildete Mitarbeitende bestehen wollen.
- Einen empathischen Führungsstil im Unternehmen einzuführen, braucht Zeit und einen Willen der Führungskräfte ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und gegebenenfalls zu verändern.
- Sich auf den Weg zu machen eine „Empathisches Organisation“ zu werden lohnt sich, weil sich die Mitarbeitenden dauerhaft an das Unternehmen binden und eine hohe Loyalität zu ihren Führungskräften und Teamkollegen entwickeln.
- Ein gesunder Nebeneffekt ist, dass die Krankentage merklich zurück gehen und die Stimmung in den Teams deutlich besser wird.
Eine gute Nachricht noch zum Schluss
Ihre Entwicklung zu einer „Empathischen Organisation“ können sie sich noch bis Ende 2023 durch das Förderprogramm „Unternehmenswert Mensch“, Programmteil „Gestärkt durch die Krise“ fördern lassen: Bis zu 15.000,00 € zu 80%, Informationen dazu finden sich hier:
https://www.unternehmens-wert-mensch.de/programmerweiterung/gestaerkt-durch-die-krise/
Bei Interesse sprich mich gerne an – und immer daran denken: Der kürzeste Weg zu einem anderen Menschen ist ein Lächeln!